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In memoriam Leo Elders

By his colleague Prof. Elisabeth Reinhardt

gepubliceerd: maandag, 9 november 2020

We invite you to read the In memoriam for Leo Elders, written by his colleague Prof. Elisabeth Reinhardt (University of Navarra, Pamplona) and published in Forum Katholische Theo­lo­gie 36 (2020): 135-137.

Leo Elders ( 1926-2019) - Rückblick und Ausblick

Von Elisabeth Reinhardt, Pamplona

Wenn man das Erbe eines Menschen betrachtet, kann man unterschei­den zwischen dem, was er gehabt hat - seinem Besitz - und dem, was er getan hat, seinem Werk. Beides enthält eine Aussage über die Person, aber auf verschie­dene Art und nicht in gleichem Maß; es ist der Unterschied zwischen ‘Haben’ und ‘Sein’, das im Tun seinen Ausdruck findet.

Wer war Leo Elders, als er noch unter uns lebte? Was seinen Besitz betrifft, kann man sich vorstellen, dass er hauptsächlich aus Büchern und Arbeits­ma­te­rial und vielleicht eini­ger, der Erinnerung dienen­der Kleinode bestand. Betrachtet man dagegen, was er getan hat, in Wort und Schrift, kommt die Frage auf: wie war das menschenmöglich? Leo Elders war Ordensmann, Pries­ter, akade­mischer Lehrer, Konsultor eines Dikasteriums im Vatikan, und seine akade­mische Bibliografie, von 1960 bis 2015 einschließlich, urnfasst etwa 400 Publikationen1. Der Großteil besteht aus Büchern und Aufsätzen theo­lo­gischer und philosophischer Art, in denen immer wie­der Thomas von Aquin - neben Aristo­teles und zuletzt auch Plato - zu Wort kommt. Man findet in seinen Publikationen, auBer holländisch, elf Sprachen vertreten: französisch, deutsch, englisch, spa­nisch, portugiesisch, italie­nisch, pol­nisch, tschechisch, sowie auch auBereuropäische Sprachen wie japa­nisch, korea­nisch, und schließlich ein im Jahr 2002 in Teheran herausgegebenes Buch in der Landessprache (Farsi): ‘Elahiyyat-e Falsafi-ye Thomas Aquinas (The Philosophical Theology of st. Thomas Aquinas)’, mit 318 Seiten. Es gibt kaum ein Jahr ohne Publikationen: nur 1963, 1967 und 1969, als Leo Elders in Japan war und intensiv Japa­nisch lernte; um in der Landessprache dozieren zu können; und 1971, als er nach Rom in die Glaubenskongregation berufen wurde, sowie 1973, als er weiterhin in Rom tätig war.

Wendet man auf diese Daten das Kausalprinzip _der vier Ursachen an, das Leo Elders so gut kannte, so sieht man sich vor einem erfüllten Leben, einer plenitudo, die sich nicht rein menschlich erklären lässt. Die ‘hori­zon­tale’ Kausalität zeigt zunächst nur, was, wann, wie, wozu eine Sache zustande kam. Um jedoch eine solche Leistung zu begreifen, braucht man ein höheres Prinzip: die Beziehung zu Gott und durch Gott zu den Menschen und wie­der zurück zu Gott, sowie auch das Auxiliarprinzip der Gnade, und schließlich das Endziel: finis ope­ris undfinis operantis, Wahrheitsliebe in Wort und Tat, für Gott und für die Menschen im weitesten Sinn des Wortes.

Die Gabe der Mitteilung

Leo Elders hat alles, was er hatte und erarbeitete, ‘mit-geteilt’: Kausalität und Partizipation;
mündlich, in Lehre und Predigt; schriftlich, in fast unzähligen Veröffentlichungen, wie eben bemerkt. Dazu hatte er die Gabe der Sprache und der Sprachen. Wie viele Sprachen konnte er sprechen? Leider habe ich ihn nicht sehr oft getroffen, doch ich habe Vorträge von ihm gehört in perfektem Spanisch, Englisch, Französisch, Italie­nisch. Bei den wissenschaftlichen Diskussionen antwortete er meist in der Sprache des Fragen­den. Er ging in Ruhe auf alle Fragen ein, und antwortete so, wie die Frage es verdiente: knapp, wenn es eher eine rhetorische Frage war; ausführlicher, wenn es um einen neuen Blickpunkt oder um eine Rich­tigstellung ging. Er war scharfsinnig in der Diskussion, aber nie aggressiv, weil er nicht sein eigenes Ich vertei­digte, son­dern die Wahrheit als etwas, das ihm gegeben war. Bei spontanen Begrüßungen in einer Eingangshalle zu einem Kongress oder während der Kaffeepause konnte er mühelos von einer Sprache zur anderen wechseln. Er hatte es nie eilig bei solchen, wenngleich kurzen Gesprächen und interessierte sich in­di­vi­duen für jede Person.

Themenbereiche

Auf den ersten Bliek könnte man den Eindruck haben, Leo Elders hätte sich hauptsächlich mit Thomas von Aquin befasst und dabei vor allem mit den Schriften syste­ma­tischer Theo­lo­gie, doch bei näherem Hinsehen findet man eine groBe Vielfalt. Zum Beispiel, die Bibelkom­mentare des Alten und Neuen Testa­ments, Li­tur­gie, Naturphilosophie, Ethik, Ästhetik, Pädagogik und aktuelle Fragen, für die er bei Thomas eine Antwort fand.

Leo Elders befasste sich gründlich - auf den Grund gehend - mit aktuellen Fragen, wie Naturwissenschaften und Existenz Gottes, Kirche und Kultur, Evangelisierung, Pluralismus der Religionen, Ehe und Familie, Lebensschutz, Sozio­lo­gie ... Er fand in den Doku­menten des II. Vatikanums und in den päpstlichen Lehrschreiben Antworten auf aktuelle Fragen und wusste sie ohne Polemik anzubieten, mit der Sicherheit eines Menschen, der nicht Ursprung, son­dern Empfänger der Wahrheit ist. Mit derselben Ruhe findet man ihn im ‘Dialog’ mit Charles Darwin, Jean-Paul Sartre, Edith Stein, Karl Rahner oder Martin Heideg­ger. Man könnte sagen, er hatte eine Art von ‘Radar’ - vielleicht durch den langjährigen Umgang mit Thomas von Aquin -, um in allen Aussagen die Wahrheit, oder mindestens die Spur der Wahrheit zu entdecken.

Arbeit mit Texten

Die his­to­rische Fundierung und die Akribie bei der Verwendung von Quellen ist bei Leo Elders selbstverständlich, nicht zuletzt durch die Kenntnis alter und neuer Sprachen sowie die geschichtlichen Kenntnisse.

Man hat zugleich den Eindruck, dass Leo Elders ‘hinter’ den Texten irgendwie die Personen sieht, die sie geschrieben haben. Das lässt sich aus dem Titel eini­ger seiner Arbeiten erahnen, zum Beispiel ‘Conversaciones filosóficas con Santo Tomás de Aquino’2 oder ‘Conversaciones teológicas con Santo Tomás de Aquino’, wo er sich gleichsam selbst als Gesprächs­part­ner mit Thomas versteht3. In ähnlicher Weise, wenn er die Quellen des Aquinaten ‘Vorgänger’ von Thomas nennt, scheint er ihn selbst irgendwie in einer persönlichen Beziehung zu ihnen zu verstehen4.

Es ist auch möglich, dass ein Text eine Einladung oder einen Vorschlag enthält, ‘einzutreten’ und über die Art und Weise, es zu tun. Das ist der Fall bei einem der letzten Bücher von Leo Elders, das vom Leben aus dem Glauben handelt.5 Der Leser tritt nicht alleine ein, son­dern zusammen mit Thomas von Aquin. Er dringt nicht direkt in den Innenraum vor, son­dern wird über eine Art ‘Atrium’ hineingeführt, das heißt mit Hilfe einer kurzen Einleitung über die Offenbarung und den Glauben. Auf die Erklärung des Inhalts der Glaubensgeheimnisse folgen die Kommentare von Thomas zum Vaterunser, Avemaria, Engel des Herrn und Salve Regina, und zuletzt eine Erklärung zum Sinn der Li­tur­gie und über die Art, sie zu vollziehen.

Zielbewusst - das erreichte Ziel

Das überproportionale Re­sul­tat der Tätigkeit von Leo Elders lässt sich nicht erklären durch einen ange­bo­re­nen Taten­drang oder bloße Forderung von außen, noch durch Geist und Wille allein. Es ist der ganze Mensch, der sich gerufen weiB zur Verwirklichung eines Projekts, das jede menschliche Planung übersteigt. Er wusste sich berufen als Missionar im weitesten Sinn und wo immer er war. Er sah sich gerufen von Gott und gesandt, wo auch immer in Beziehung mit Menschen zu treten und zu leben: zu Gott und zu allen, unbegrenzt. Die naturgegebene Tatkraft, die innere Ruhe und das freundliche Wesen, getragen von­der ständigen Beziehung zu Gott, machten möglich, was menschlich unmöglich scheint.

Leo Elders arbeitete, solange er konnte. Sein letztes, vollendetes Werk ist der Kommentar des Thomas von Aquin zu Dio­ny­sius’ De divinis nominibus, das er druckbereit beendete, wie er mir noch letzten August mitteilte. Er bat mich um einige biblio­gra­fische Daten für die neue Arbeit, mit der er beschäftigt war, dem Kommentar zu Dio­ny­sius’ De substantiis separatis. Er konnte sie nicht mehr been­den; er hat jetzt die mühelose Erkenntnis des Gegenstands seiner Arbeit. Deshalb möchte ich meine Überlegungen schließen mit dem Beginn des thomasischen Kommentars zu De substantiis separatis:

‘Quia sacris angelorum solemniis in­te­res­se non possumus, non debet no bis devotionis tempus transire in vacuum, sed quod psallendi officio subtrahitur scribendi studio compensetur.’6

Der Rückblick auf Leo Elders gibt einem Ausblick Raum, der jetzt für ihn kein Ende hat.

 

Prof. Elisabeth Reinhardt Prof. Elisabeth Reinhardt, Pamplona

 

Fußnoten

  1. Siehe die Fest­schrift zu seinem 90. Geburtstag: J. Vijgen (ed.), Libenter praeceptorum laudes celebrarem. Stories and Reflections in honor of Leo J. Elders S.V.D., Groot­semi­narie Rolduc, Bisdom Roermond, Haar­lem-Am­ster­dam 2016, S. 143-182 [Anmerkung der Redaktion: in der vorliegen­den Zeit­schrift verfasste Leo Elders den Aufsatz: Das Gemeinwohl als Ziel und Ordnungsprinzip des gesellschaftlichen Lebens. Deutungen und Bedeutungen, in FK.Th 11 (1996) 90-106].
  2. Conversaciones filosóficas con Santo Tomás de Aquino, Ediciones del Verbo Encarnado, San Rafael, Mendoza, 2009.
  3. Conversaciones teológicas con Santo Tomás de Aquino, Ediciones del Verbo Encarnado, San Rafael, Mendoza, 2008.
  4. Thomas d'Aquin et ses prédécesseurs. La présence des grands philosophes et Pères de l'Église dans les ceuvres de Thomas d'Aquin, Les Presses universitaires de l'IPC, Paris 2015.
  5. Entrer dans les mystères de la foi avec saint Thomas d'Aquin, Les Presses Universitaires de l'IPC, Paris 2016.
  6. De Angelis seu de substantiis separatis adfratrem Reginaldum de Piperno, Prologus, Sancti Thomae Aquinatis opera omnia, tomus XL, D41 (editio leonina).